Die Großeltern

Alle Generationen meiner Familie kamen von der Küste und fuhren zur See.

Starke urwüchsige Männer der Küstenregion. Fischer, Torfstecher und Bauern, die den Boden urbar machten und stures Vieh bändigten. Deren Frauen, nicht weniger kräftig und genauso starrköpfig. Ihre Hände regten sich ebenso und packten mit an. Tagelöhner und Arbeiter welche ihre Kupferpfennige zählten und es zu etwas brachten.
Die Eltern meines Großvaters hatten eine harte Zeit und es kam zum Eklat. Woraufhin die Frau und Mutter der Familie Behrens eines Tages verschwand. Sie ließ auf dem Küchentisch einen Zettel zurück:
„See man to, wie du kloor kummst mit de Kinner, ick hau aff“ - Sieh zu wie du klar kommst ich gehe weg.
War es der Haustyrann oder die Liebe zu einem anderen Mann? Jedenfalls verschwand die Frau spurlos und der Vater war mit seinen vier Kindern allein. Auch er wandte sich an den lieben Gott oder an dessen große Liebe und brachte die Kinder als Hilfskräfte in verschiedenen Haushalten unter. Wenn die Kinder dort nicht spurten, dann wurden sie eben weitergegeben.
So kam mein Großvater, Rudolf Behrens, immer näher heran zu der großen Hafenstadt Hamburg. Die Seefahrt brauchte immer wieder Seeleute für die Seelenverkäufer: Angelockt mit netten Sprüchen: 
„Lieber Bruder, lass’ das Schweine hüten - in Hamburg gibt es Geld in Tüten!“
In Hamburg gab es Tageslohn wie auch Wochenlohn, der wurde in bar ausgezahlt. Das Geld wurde den Arbeitern meistens in einer Lohntüte übergeben. Bei jedem Wetter mussten sie raus und den Kurs halten.
Damals gab es keinen Wetterbericht. Wo sich die Untiefen und Sandbänke bei Leuchtfeuer befanden musste man wissen. Die Strömungen und den Wind musste man berechnen. Ebbe und Flut war von großer Bedeutung und verschob sich jeden Tag um eine Stunde und mit der Strömung von der Tide kannst du überall hinkommen oder auch abgetrieben werden. Fünf Stunden auflaufendes Wasser, dann der Tidenumschlag; danach sechs Stunden ablaufendes Wasser und dann der Tidenumschlag.
Einmal die Strömungsverhältnisse des Wassers nicht bedacht, verliert man einen ganzen Tag. Am nächsten Tag beginnt alles wieder von vorne. Wenn es wieder falsch läuft wirst Du rausgeschmissen. Doch alles ist erlernbar, man muss nur wollen.
Die Wunden wurden im Salzwasser gebadet. Entzündungen, die schon am Abklingen waren, rissen wieder auf. Nass und durchgefroren kroch man in die Koje für einen kurzen Schlaf. Gerade eingenickt, musste man wieder raus. Ein Tau war gerissen oder man ist auf eine Untiefe gefahren. Es war eine Plackerei rund um die Uhr.
Das Gepoltere beim beladen an Deck. Das laute Knarren und Klappern der Masten beim Segeln. All das sind heimatliche Geräusche, sowie die Dünung. Man gewöhnt sich an alles und wenn sie nicht da sind kann man nicht mehr schlafen.
Doch wenn man nicht einmal etwas Heißes in den Magen bekam, weil die Wellen über der Kombüse zusammenschlugen und der Kochherd erlosch, dann war ‚Kacke am Dampfen’. Der Koch kriegt dann als Erster die Wut zu spüren. Doch mit allen kannst du Zanken aber leg dich nicht mit dem Koch an.
Katharina Behrens, kam von Altenwerder im Alten Land. Ein schöner Elbstrand im Süden Hamburgs. Sie wurde in Stellung gegeben, um sich einzuleben in Hamburgs Neustadt. Als wir, die Enkelkinder, sie einst fragten, warum sie den groben Klotz, unseren Großvater Rudolf Behrens, geheiratet hatte, antwortete sie:
„Dat weer doch so een schönen groten Kerl und dor kunn man sick so schön anlehnen und so sicher und wohl fühlen!“ - Das war doch so ein schöner großer Mann bei dem man sich schön anlehnen und sicher und wohl fühlen kann.
Und so wurde geheiratet und sie bekamen drei Kinder. Walter dann die zweitälteste, Anni und die Jüngste Olga.